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DAS GIZA-PROJEKT

Abb. 1

GIZA
Ägyptologen, Archäologen und viele Ägyptenbegeisterte kennen diesen Ortsnamen: In Giza bei Kairo liegen ausgedehnte Friedhöfe des Alten Reiches (4.-6. Dynastie, 2589-2166 v. Chr.), der klassischen Pyramidenzeit Altägyptens. Sie gruppieren sich zusammen mit königlichen Toten- und Taltempeln um die drei großen Pyramiden der Könige Cheops, Chephren und Mykerinos. Ursprünglich für die hohen Beamten, die staatstragende Schicht ihrer Zeit, der 4. Dynastie (2589-2454 v. Chr.), angelegt, wurden die Nekropolen im Schatten der Pyramiden bis weit über das Ende des Alten Reiches hinaus genutzt; für viele Grabanlagen lässt sich eine sekundäre Nutzung und Wiederverwendung nachweisen, die bis in die Spätzeit (664-332 v. Chr.), die ptolemäische (332-30 v. Chr.) und die römische Zeit (30 v. Chr. - 395 n. Chr.) hinein reicht.


DIE ARCHÄOLOGISCHE ERFORSCHUNG VON GIZA

Im Jahre 1902 vergab der Service des Antiquités, die staatliche Altertümerverwaltung, erstmals offizielle, also legale Grabungskonzessionen und zwar an die USA (George Andrew Reisner, Boston/Harvard), Italien (Ernesto Schiaparelli, Turin) und Deutschland (Georg Steindorff, Leipzig). Letzterer tauschte 1911, als man sich anlässlich der Eröffnung des Pelizaeus-Museums in Hildesheim traf, seine Lizenz mit Hermann Junker (Wien).

Steindorff arbeitete im Auftrag der Universität Leipzig 1903, 1905, 1906 auf dem Westfriedhof an der Cheops-Pyramide und untersuchte später von 1909 bis 1910 den Chephren-Totentempel. Junker führte seine Grabungen für die Akademie der Wissenschaften Wien auf dem West- und Südfriedhof an der Cheops-Pyramide von 1912 bis 1914 und von 1926 bis 1929 durch. Der Hildesheimer Kaufmann, Unternehmer und Bankier Wilhelm Pelizaeus engagierte sich für diese Ausgrabungen, indem er einen großen Teil der Finanzierung übernahm; dadurch kamen ihm ebenso wie den beteiligten Institutionen Universität Leipzig und Akademie Wien die offiziellen Teilungen zugute, die nach jeder Grabungskampagne stattfanden und die Funde zwischen Ägypten und den Ausgräbern aufteilten. So gelangte umfangreiches Fundmaterial in das Ägyptische Museum der Universität Leipzig, das Kunsthistorische Museum Wien und in das 1911 eingeweihte Pelizaeus-Museum Hildesheim, das auf Wilhelm Pelizaeus' Schenkung seiner Privatsammlung und seines Giza-Fundanteils ab 1907 zurückgeht.

Abb. 2

Mastaba des Kai-em-anch (G 4561), Westfriedhof, Giza: Arbeiter vor der Grabanlage, darunter links Hermann Junker mit Tropenhelm; oben auf der Mastaba sitzt der Architekt Karl Holey. Grabung Junker 1926.

 

 

Abb. 3
Abb.4

INHALT UND ZIELE DES GIZA-PROJEKTS
Das Giza-Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, die vor 100 Jahren von Georg Steindorff und Hermann Junker durchgeführte Ausgrabung der Beamten-Gräber auf dem Giza-Plateau erstmals in ihrer Gänze aufzuarbeiten. 

Die umfangreichen Grabungsunterlagen, die Steindorff auf dem Westfriedhof zusammengestellt hat, sind noch heute komplett unpubliziert und damit der Wissenschaft nicht zugänglich. Auch die Grabungen der US-Amerikanischen Boston-Harvard-Expedition (http://www.gizapyramids.org) und die kleinere italienische Unternehmung sind zu großen Teilen noch nicht veröffentlicht und müssen erschlossen werden. Das damals von der deutschen Grabung gewonnene Material umfasste ursprünglich etwa 2400 Fotos auf Glasplatten, jedoch sind durch Kriegsverlust im Jahre 1944 nur noch etwa 1150 Fotos in Leipzig vorhanden. Steindorffs Grabungstagebücher und Dokumentationen von Funden und Inschriften sind jedoch komplett erhalten. Das umfangreiche Material wird von zahlreichen Briefen in Leipzig und Hildesheim sowie durch die von Ägypten nach Leipzig und Hildesheim überführten Funde ergänzt. Insgesamt 516 Objekte gelangten durch die Fundteilungen nach Leipzig, von denen jedoch wiederum 162 Stücke als Kriegsverluste verzeichnet werden müssen; in Hildesheim befinden sich 1542 Exponate, weitere Objekte aus der Giza-Grabungen sind heute in Kairo zu finden.
Nach dem Tausch der Grabungslizenz für Giza zwischen Steindorff und Junker 1911 führte Junker in den Jahren 1912 bis 1929 die Grabungen Steindorffs fort. Da Pelizaeus alle Grabungskampagnen finanziell unterstützte, gelangten wiederum viele Funde nach Hildesheim. Aus dieser Zeit wird dort neben zahlreichen Grabungsfotos (etwa 700 Stück) im Stadtarchiv Hildesheim auch Pelizaeus' komplexer Briefwechsel zu diversen Fundteilungen, Ankäufen und Erwerbungsvorgängen von Funden aus dieser Zeit aufbewahrt. Die Ergebnisse der Grabungen veröffentlichte Junker in seiner zwölfbändigen Giza-Publikation (1929-1955), allerdings mit dem Schwerpunkt auf dem Alten Reich. Viele Gräber erfuhren jedoch eine sekundäre, oft viel spätere Nutzung; ihre Untersuchung und die Funde dieser Nachnutzung, die nahezu vollständig in Hildesheim verblieben, sind bis heute unpubliziert und selbst in der Fachwelt kaum bekannt.

Auf der Grundlage dieses Materials in Hildesheim und Leipzig, dessen Erfassung und erstmalige Veröffentlichung im Fokus der Arbeiten des Projekts steht, sollen die Geschichte der Giza-Nekropole in der Zeit vom Alten Reich bis in die griechisch-römische Zeit erfasst und die Gräber, ihre Grabherren sowie die Fundzusammenhänge kontextualisiert werden. Ein großes Anliegen des Projekts ist auch die Rekonstruktion des Verbleibs der Objekte, die durch Fundteilung heute auf die vier Museen in Hildesheim, Leipzig, Kairo und Wien, in Ausnahmefällen auch Boston, verstreut sind. Andere sind in zahlreichen weiteren Museen zu finden, wohin sie durch späteren Handel gelangten. Wichtig ist die Lösung dieser Aufgabe deshalb, weil zahlreiche Fundzusammenhänge bis heute unbekannt sind und somit Objekten mit eindeutiger Herkunft aus Giza immer noch der Makel „Fundort unbekannt" anhaftet. Diese Rekonstruktion der Fundgeschichte und Fundzusammenhänge unter Berücksichtigung aller noch auffindbarer Informationen aus zeitgenössischen Quellen wie Fotos, Tagebüchern und Briefen und auch aller Informationen aus den Funden selbst, unter Verwendung der neuesten Literatur und Forschungsergebnisse durchgeführt, wird eine nicht unerhebliche Lücke in der Aufarbeitung dieser Nekropole schließen.

Abb. 5
Mastaba des Ptah-hotep, Südfriedhof, Giza: späte Nachbestattung in der
Mittelkammer. Grabung Junker 1928/29.
Abb. 5a
Südfriedhof, Giza: 2 Ketten mit Udjat-Augen (Inv.-Nr. PM 3338 und 3339) aus Nachbestattungen bei der Mastaba des Ptah-hotep. Grabung Junker 1928/29.

Die Publikation des Materials wird zweigleisig erfolgen: Die Forschungsergebnisse werden den späteren Nutzern sowohl auf CD- bzw. DVD-Rom als auch im Internet – dort gleichzeitig für eine breite Öffentlichkeit gedacht – zur Verfügung gestellt. Die Aufarbeitung des Fundkomplexes wird in Form der neuen Medien vorgenommen, um sie in die bereits vorhandenen Projekte wie etwa in Boston besser einfügen zu können. Die Bearbeitung des Materials in html- und pdf-Dokumenten sowie in komplexen Datenbanken, die die zahlreichen Funde, Fotos, Tagebücher und Korrespondenzen sinnvoll miteinander verknüpfen und sie mit neuen Forschungsergebnissen verbinden, ist die einzige kostengünstige und technisch sinnvolle Möglichkeit, das gesamte Material der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit für weitergehende Forschungsarbeiten zur Verfügung zu stellen. So kann durch die Zusammenarbeit des Roemer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim mit den Partnern in Leipzig, Wien und Boston das in einer gemeinsamen Tradition verwurzelte und sich ergänzende Material der Giza-Grabungen von 1903 bis 1929 rund 100 Jahre nach seiner Entdeckung endlich in seiner Gesamtheit aufgearbeitet werden. Die Bearbeiter des Projektes sind darüber hinaus bestrebt, die Arbeit in Fachvorträgen, aber auch in Veranstaltungen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Besonderer Dank gilt dem Förderprogramm Niedersachsen Vorab / Stiftung Volkswagenwerk Hannover für die Übernahme der Finanzierung des Projekts:  http://www.volkswagenstiftung.de/foerderung/vorab.html