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Kairo, JE 57174

JE 57174
Standort: Ägyptisches Museum Kairo
Inv.-Nr. CG 57174 (CG - unpubliziert)
Bezeichnung: "Pilzförmig" geformter Denkstein

Herkunft:

Giza, Westfriedhof, Mastaba D 220; an der Südwestecke verworfen gefunden.
Erwerbung: Fundteilung 1903
Material: Kalkstein
Maße: H. 54,5 cm.
Dm. an der schmalsten Stelle: 67,5 cm.
Dm. an der Basis: 102,0 cm.
Dm. an der untersten Stelle der "Kappe": 76,5 cm
Datierung: Späte 5. / Frühe 6. Dynastie
Beschreibung:
Die "pilzförmig" geformte Stele wurde verworfen vor der Südwestecke der Mastaba D 220 gefunden.
Erhaltungszustand:
In zwei Teile gebrochen und starke Beschädigungen an der Rückseite. Sie ließ sich aber bei der Grabung 1903 ohne große Probleme wieder zusammenfügen.
Der Erhaltungszustand entspricht weitestgehend dem Zustand bei der Auffindung des Objektes. Vgl. dazu die neuen Photos bei Brovarski, A Unique Funerary Monument, S. 195.
Darstellung und Text:

Das Objekt ist insofern ungewöhnlich, als es bislang ohne Parallele geblieben ist. Es ist pilzförmig bzw. turmförmig aus dem Kalkstein herausgearbeitet und weist an der Vorderseite eine Scheintürdekoration auf. Darüber befindet sich eine einzeilige Inschrift, die Titel und Namen des Grabherrn wiedergibt. Neben der Scheintür-Dekoration gibt es eine fünf Kolumnen lange Inschrift, die in der Übersetzung bzw. Interpretation nicht ganz einfach ist und zu zahlreichen Spekulationen Anlass gegeben hat.
Brovarski schlägt in seinem Beitrag "A Unique Funerary Monument" vor, in dem Objekt einen Festungsturm zu sehen ohne letztendlich sichere Deutung der "Aufgabe des Objektes", cf. Brovarski, S. 193:
"Considering that his mastaba was already equipped with at least one false door, it is difficult to know what was in Tjezi's mind when he had his funerary tower made.
Perhaps he felt the tower might serve as a talisman to drive away evil spirits, so that his
soul might not have to rest in it afterall. Or perhaps he felt he needed extraordinary
protection in the next world."
Problematisch ist das Objekt in vielerlei Hinsicht - allein die Deutung des Wortes Hn ist schwierig:
Während das Wörterbuch Hn noch als Bezeichnung für ein Notgrab auffaßt, zweifelt Junker dieses schon zu Recht mit den Argumenten an, dass das Hn, sofern es die "pilzförmige Stele" bezeichnen sollte, ein "solider Stein, keine Steinkiste" sei und dass sich "Vzj sicher kein Notgrab bestellt haben wird, als er sich in ärztlicher Behandlung befand, sondern sein Augenmerk sicher auf die Fertigstellung seiner Steinmastaba in Giza gerichtet haben wird." Drenkhahn möchte es hingegen mit dem Verbum "schützen" als auch mit der Bezeichnung " Hn-Büchse" in Verbindung bringen. Ferner meint sie, dass die Hn-Darstellungen, die bei der Statuenherstellung bemalt werden mit dieser Bezeichnung identisch sind und dazu dienten, die fertige Statue quasi wie eine Art Futteral zu schützen. Sie vermutet, "daß das Hn eine Art Kabine ist, in welche die Statue für eine Bootsfahrt hineingestellt wird." Anders sieht das Graefe, der meint, "daß man nicht sicher sein kann, daß noch die Ägypter des Neuen Reiches das Zeichen Hn als "Behälter" gedeutet haben, aber auch nicht, daß von den vorhin erwähnten "Statuenbehältern" des Alten Reichs auf die Grundbedeutung von Hn geschlossen werden kann. […]" ßJ Junkers Meinung war, mit dem Hn sei dieser Stein selbst gemeint; er ist massiv und kann unmöglich mit der Hn-"Büchse" in Verbindung gebracht werden. Der Stein besitzt einen rundlichen Querschnitt, verjüngt sich etwas im Durchmesser von unten nach oben und wird dann durch den "Pilz" abgeschlossen. Offenbar können solche "Säulenstümpfe", "Statuenbehälter" und "Büchsen" alle mit Hn bezeichnet werden. Das tertium comparationis  dürfte nicht "Behälter" sein, sondern die Gemeinsamkeit der länglichen Form: "säulen- oder pfeilerförmiger Gegenstand". Sambin sieht Hn u. a. in der Bedeutung des (Wb III, 100,13-14) "versperren, verschlossen halten":" Ce sens s’explique bien s’il est dérivé (ou inversement s’il est à l’origine) du concept de la boîte (représentée même parfois avec une porte, symbole des „fermeture“)."ßK

Als Quintessenz aus diesem repräsentativen Ausschnitt der Meinungen bleibt der Gedanke, dass Junkers Vermutung, dass Hn den "pilzförmigen Gegenstand" selbst näher qualifiziert und dieser eine gewisse magische Funktion im Totenkult erfüllt hat. Dabei spielt es keine Rolle, dass es sich lediglich um einen "Scheingegenstand" handelt, der nicht wirklich wie eine Hn-Büchse befüllt werden konnte. Seine Funktionstüchtigkeit war magisch trotzdem zu jeder Zeit gewährleitstet.
Auch die Deutung des xr Dbo.w wob
"Unter den Fingern eines Wob-Priesters" wurde bislang immer als Hinweis darauf gedeutet, dass es sich bei dem wob eventuell um einen wob-cXm.t – also einem Arzt - handeln könnte, was natürlich in engem inhaltlichen Zusammenhang zum vorhergehenden "an etwas leiden" steht. Dagegen bleibt aber einzuwenden, dass bei allen Belegen, in denen man wob als "Arzt" übersetzt, in den weiteren Textstellen eine nähere Spezifizierung der Person durch eindeutige Bezeichnungen wie " wob-cXm.t" oder " zwnw" erscheint oder diese durch eindeutige Szenen, wie der Schlachtung von Rindern näher erklärt werden.ßL Die alleinstehende Nennung eines Wob-Priesters legt eher die Vermutung nahe, dass man davon ausgehen muss, dass jegliche Opfergaben bevor sie in einem Grab beigesetzt werden konnten, rituell in Funktion gesetzt werden mussten und natürlich auch der Reinigung durch einen Wob-Priester bedurften.

Die Funktion der " Hn-Schachtel" läge dann tatsächlich implizit in ihrer bereits angedeuteten Funktion ihren Inhalt zu schützen oder zu verbergen, worauf auch eine Bemalung dieser Objekte im Mittleren Reich mit einem Kalb und dem Reißen einer Gazelle durch einen Jagdhund hindeutet und so vermutlich die zu erfüllende Schutzfunktion ihres umschlossenen Inhaltes andeutet.ßM Dass diese Gegenstände ihren Inhalt tatsächlich verbergen, vielleicht auch schützen sollten, zeigen deutlich auch die späteren Textbelege, die den Begriff "Hn" in diesen Wirkbereich setzen. So wird im Tempel Sethos I. in Abydos über Ramses II. gesagt: " nfr.wj Dd=tn Hm=k m Hn H(w).t=k Sps.t [...] – Wie schön ist das, was deine Majestät gesagt hat über das Hn (Verborgene / Geschützte) deines ehrwürdigen Tempels [...]".ßN Sein Vater Sethos I. schenkt in einer Darstellung als Sphinx im selben Tempel der Göttin Sachmet ein Hn, dass er in seinen Händen hält – „rD(j) Hn n mwt=f cXm.t jn nzw ¾Mn-m#o.t Ro(.w)¿ [...] - Schenken eines Hn an seine Mutter Sachmet durch den König Sethos I. [...]“ßP Deutlicher, dass in diesen "Hn-Kästen" etwas verborgen/versteckt werden soll, sind die Belege aus dem "Buch vom Niederwerfen des Apophis", wo es heißt " Dd.t rA pn Hr o#pp zx# Hr Sw n m#w.t m rj.t w#D rD(j).t m xn.w Hn jr(j).w rn=f Hr=f znH.w nTT D(j) n X.t ro(.w)-nb(.w) [...] – Dieser Spruch ist zu sprechen über (einer Figur des) Apophis, gezeichnet mit grüner Tinte auf einem neuen Stück Papyrus, gelegt in das Innere eines Hn-Kastens, gemacht mit seinem Namen auf ihm, gefesselt und gebunden und gegeben auf das Feuer, täglich [...]".ßQ Alle Textbelege deuten darauf hin, dass man in den "Hn-Kästen" etwas vor den Augen aller verbarg, um es entweder zu schützen oder aber, wie beim Ritual vom "Niederwerfen des Apophis", es verschlossen zu halten und damit seiner Wirkmächtigkeit zu berauben. Dies zeigt wiederum die Doppeldeutigkeit, in der dieses Objekt hier fungieren könnte. Zum einen birgt es magisch in Funktion gesetzt seine äußere Form als turmartige Festung mit "Türdurchgang", zum anderen als Hn-Schachtel die eventuell zu besiegende Krankheit.ßR

Inschrift: Transkription und Übersetzung.

Zeile:

jry-X.t nzw jmy-r# Hmw.t(yw) Vzj

 

Beauftragter für die Angelegenheiten des Königs, Vorsteher der Handwerker Vzj,

Kolumne:

1 DD=f  jr(j).n=ø Hn 2 pw

 

er sagt: Ich machte diesen Hn-Behälter

 

sk.w(j) 3 j.mn (jmn) jX.t xr dbo.w 4 wob

 

als ich krank war (bzw. Sachen verbarg) unter den Fingern eines Wab-Priesters,

 

n mr.wt 5 qrs(.t) m nw

 

zur Bestattung in diesem.

Junker, Giza IX, S. 52f übersetzt: "Der Königsenkel und Vorsteher der Handwerker V#zj spricht: Ich habe dieses Hn gemacht, als ich krank und in der Behandlung des wob war, um es in diesem (Grabe) beizusetzen."

Rosemarie Drenkhahn gibt in ihrer Publikation "Handwerker" folgende Übersetzung:
"Ich habe dieses Hn gemacht, als ich krank und in Behandlung des wob war, um darin begraben zu werden."

Eric Doret gibt im "Narrative Verbal System" für das Objekt folgende Übersetzung: "It was in order to be buried in this (monument) that I made this tomb (lit. "box") when I was ailing (and) under the care (lit. fingers) of the priests."



Kommentar:

Zu den Titeln:
jry-X.t nzw jmy-r# Hmw.t(yw)
"Beauftragter für die Angelegenheiten des Königs", "Vorsteher der Handwerker";
Zu den Titeln siehe Jones, Index OK, 327, 1206; 179, 680.


Zu dem Namen:
Vzj (Ranke, PN I, 394,10)

Anmerkungen:
ßJ: Graefe, Erhart, Das Ritualgerät Sbt/wnSb/wtT, in: Studien Westendorf, Göttingen, 1984, S. 899. [zurück]
ßK: Sambin, Chantal, L'offrande de la soit-disant "clepsydre", Le symbole Sbt/wnSb/wtt, Budapest, Chaire d'Égyptologie, Université Eötvös Loránd, 1988 = Studia Aegyptiaca, 11, S. 247. [zurück]
ßL: von Känel, Frédérique, Les prêtres-ouâb de Sekhmet et les conjurateurs de Serkhet, Paris, 1984 = Bibliothèque de l'École des Hautes Études. Section des sciences religieuses, 87, S. 243. [zurück]
ßM: So auf der Nordwand der Hauptkammer des  Grabes Nr. 15 des B#q.t , s. Newberry, Percy E., Beni Hasan, London: Egypt Exploration Fund, 1893-1900. ASE 2, Taf. IV. In Newberrys Umzeichnung fehlen die beiden gleichen Winkelspitzen des oberen Abschlusses, die aber sicher  zu ergänzen sind. Siehe dazu Montet, Pierre, Notes sur les tombeaux de Béni-Hassan, in: BIFAO IX, Kairo 1911, Taf. VII. [zurück]
ßN: Darstellung Ramses II. vor Osiris, Isis und Horus im Saal C. Rede des Osiris, an der Spitze der Westlichen, s. dazu. Mariette, Auguste, Abydos: description des fouilles exécutées sur l'emplacement de cette ville; ouvrage publ. sous les auspices de S. A. Ismail Pacha, Khédive d'Égypte. – Paris, 1869, Band I, pl. 10b und Ramses II. schenkt seinem Vater Osiris ein solches Hn für das Ehrwürdige des Tempels. Ptolemäus XIII. wird im Tempel von Kom Ombo gar  als " nb(.w) Hn – Herr des Hn bezeichnet" s. dazu Darstellung Ptolemäus XIII., der vor Sobek und Hathor opfert, auf der Nordseite der Tür der Außenmauer; Catalogue des monuments et inscriptions de l'Égypte antique: ouvrage publ. sous les auspices de S. A. Abbas II Helmi, khédive d'Égypte, par la direction générale du Service des Antiquités / par J. de Morgan, U. Bouriant, G. Legrain, G. Jéquier, A. Barsanti. - Vienne: Holzhausen, 1895, Band II, S. 25.
ßP:Darstellung in Saal V, s. dazu Mariette, Auguste, Abydos, a.a.O. Band I, Taf. 40c. [zurück]
ßQ: pBremner Rhind III, 28,16, s. Faulkner, Raymond Oliver, The Papyrus Bremner-Rhind (British Museum no. 10188). - Bruxelles: Fondation Égyptologique Reine Élisabeth, 1933, (BAe 3), S. 68,15-16 und ders., The Bremner-Rhind Papyrus – III, in: JEA 23 (1937) 166-185. Zu inhaltlich ähnlichen Stellen siehe auch pBremner Rhind III, 28,18 und 29,14. [zurück]
ßR: Das nahm auch schon Junker an, der allerdings argumentierte: „Da er weder für den Bau noch für den Totenkult Bedeutung hatte, muß man mit einer magischen Funktion rechnen, vielleicht mit einer symbolischen Bestattung der Krankheit.“ So bei Junker, Hermann, Giza IX, a.a.O., S. 52f. [zurück]

Technische Angaben:



Geschichte des Stückes:
Die "pilzförmig" geformte Stele wurde am 23.03.1903 gefunden und gelangte per Fundteilung (s. Teilungsprotokoll) an das Ägyptische Museum Kairo.
zugehörige Objekte:

Scheintür:
Unterer Sturzbalken (Edinburgh, National Museums of Scotland A.1909.483)
Bildfeld (Verbleib unbekannt - vermutlich Ägyptisches Museum Kairo)

Verbaut als Deckenblock in der Kultkammer:
Scheintürsturz des Vzj (Kairo, CG 57159 - CG - unpubliziert)


Verworfen westlich von der Mastaba:
Hohe Opfertafel ohne Inschrift (Verbleib unbekannt - eventuell in situ belassen)

Verworfen vor der Mastaba:
Statuette (Leipzig, ÄMU 2464)

Bibliographie:
Brovarski, Edward. "A Unique Funerary Monument of Old Kingdom Date in the Egyptian Museum." In Mamdouh Eldamaty and Mai Trad, eds. Egyptian Museum Collections around the World. Studies for the Centennial of the Egyptian Museum, Cairo, Supreme Council of Antiquities, 2002, S. 184-195.

Doret, Eric, The Narrative Verbal System of Old and Middle Egyptian, Cahiers d'Orientalisme 12 (Geneva, 1986), S. 31, Ex. 18.

Drenkhahn, Rosemarie, Die Handwerker und ihre Tiitigkeit im alten Agypten, ÄA 31 Wiesbaden, 1976, S. 72.

Junker, Hermann. Gîza IX. Das Mittelfeld des Westfriedhofs. Akademie der Wissenschaften in Wien Philosophisch-historische Klasse Denkschriften 73, Abhandlung 2. Vienna: Rudolph M. Rohrer, 1950, S. 52-53.

Sethe, Kurt. Urkunden des Alten Reichs. Erster Band. Urkunden des Ägyptischen Altertums Abteilung 1, Hft. 1-4. Leipzig: J.C. Hinrichs'sche Buchhandlung, 1903-1933, S. 152 [41].

Literatur:

 
Photos:
 
 
Archivalien:

Tgb. 1903 [Original pdf] [Abschrift pdf]

S. 39: […] Besser geht es bei der Merab-Mastaba. Vor der Mastaba des Tesj wird am Vormittag eine kleine Steinfigur eines sitzenden Mannes gefunden. (VI. Dyn.) Sie ist zerbrochen kommt aber ziemlich gut zusammen. Am Nachmittag kommt an der SW-Ecke

der Mastaba des Tesj ein grosser knopfförmiger Gegenstand aus Kalkstein heraus; in 2 Stücken, aber fast vollständig
S. 39
mit Inschrift:

S. 40:
S. 40
Also aus der Mastaba des Tesj
Ferner werden 2 Brunnen, östl. von Tesj freigelegt; die Kammern unten sind noch verschlossen u. sollen morgen geöffnet werden.



S. 160: Um ½ 6 aufgestanden, um 6 kommt Quibell zur Teilung. Wir frühstücken erst vor dem Hause u. gehen dann an das schwere Geschäft. Meiner dringenden  Bitte, dass ich die beiden vollständigen Statuengruppen haben müsse giebt Q. nach. Er nimmt dafür für das Museum den Denkstein des Vesj, die Gruppe ohne Köpfe, den doppelten Holzsarg, die grosse Holzfigur einer Frau aus d. Grabe des Hetpi und 7 von den Steinen mit Inschriften u. Reliefs (No. 1.9.10.14.15.17.13 des Fundjournals). Der Rest verbleibt uns. Wir nehmen ein Protokoll auf, das von uns beiden unterzeichnet wird. Betreffs der Kammer des Uhemka wünscht Maspero entweder sie an Ort u. Stelle zu belassen und den Touristen zugänglich zu machen oder sie – natürlich für einen anständigen Preis an mich zu verkaufen. Ich werde darüber noch mit Maspero unterhandeln. Gegen 10 geht Quibell;


Lageplan: Plan Hölscher 1903-1906
Plan Junker, Giza IX, Plan I
Plan Junker, Giza IX, Abb. 19
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